1. Mannschaft

Was lange währt, wird endlich gut – Der Spieltagsbericht von Uwe

Erste ist nach wiederum deutlichen Sieg am 4. Spieltag Herbstmeister in der Hessenliga

 

 

Sorry erstmal für die Verspätung. Viel um die Ohren und so. Tja, wir überwintern also wirklich auf dem Spitzenplatz in der Hessenliga nach dem dritten Fünfeinhalb-Sieg in Folge, diesmal gegen die Schachfreunde vom Wiesbadener Stadtteil Dotzheim. Der Sieg ging auch in dieser Höhe in Ordnung, denn wir standen soweit ich sehen konnte nur an einem Brett dauerhaft auf Verlust.

 

 

Damit haben wir jetzt saftige 2 Mannschafts- und 3,5 Brettpunkte Vorsprung auf Platz 2, sprich: wir könnten uns sogar einen heftigen Ausrutscher leisten und würden vorne bleiben. Doch zunächst nochmal zu den einzelnen Partien gegen Dotzheim.

 

An Brett 8 kam Martin N. zum Einsatz nach der kurzfristigen Absage Frank Ws. Es gab einen Engländer mit f5, e5 und frühem d5. Und wie es Martins Art ist, ging es halt ohne grosse Entwicklung des Damenflügels direkt mit f4 weiter. Dieses Feld war etwa 20000 Mal gedeckt (weisse Bauern auf e3 und g3, Se2 und Dd2) und der Gegner griff in der Tat mutig zu, und zwar in dem er seinen Lg2, ganz klar die beste Leichtfigur auf dem Brett, gegen Martins Sd5 hergab. Jetzt stand ein weisser Rössel auf f4, und es war unklar, ob Martin die weissfeldrigen Schwächen beim Gegner ausnutzen würde können, denn der Sf4 hatte erstmal alles unter Kontrolle, selbst den vereinzelten weissen Bauern auf d3 den Martin unter Beschuss nahm. Geht vielleicht ein Qualleopfer auf f4 und wir erzielen ein frühes 1-0?

 

Danach sah es an Sieben bei Uwe definitiv nicht aus, denn hier ging es in den ersten Zügen gewohnt behäbig zu. Fast schon zu sehr, denn im Abtauschslawen mit beiderseitigem Königsläufer fianchetto sah es doch arg ruhig aus. Und was ist das? Abtausch das weissen Läufers auf f6 ist ja generell ok, wenn Weiss die Stellung mit e3 auf den schwarzen Feldern zustellen kann, aber hätte man damit nicht warten können, bis Schwarz wenigstens mit h6 den Läufer befragt? Hätte man in der Tat. Ein ruhiger Entwicklungszug hilft meistens und hätte wohl leichten Vorteil versprochen. So war das ganze doch arg anämisch. Na, mal schaun.

 

Früh auf d5 abgetauscht im Halbslawen wurde auch an Brett 6. Nur hatten wir hier Schwarz, was gut war, denn Frank R. konnte in Ruhe jede Menge Läufer vom Brett tauschen, was die Stellung in der Tat sehr früh übersichtlich machte. Jetzt wohl alles wie gehabt, also weisser Minoritätsangriff und Schwarz versucht irgendwie am Königsflügel zu Spiel zu kommen. Weiss ist tendenziell schnell am Damenflügel, während Schwarz bekanntermassen länger braucht, dafür ist es jedoch in aller Regel auch gefährlicher, da auf g1 oder h1 ja der weisse Monarch wohnt. Sah sehr ok aus für uns.

 

Robert hatte Weiss an Brett 5 und in einer langen Theorievariante im Awerbach Königsinder mit frühem exd4 gingen sehr bald Linien auf, was unserem Taktikspezialisten tendenziell helfen sollte. Nach Abtausch der Schwarzfelder stand der schwarze König nur noch von einem Bauerngerüst auf h7 und g6 geschützt und -schwupps- war mittels einfacher Taktik (LxBc6 nebst Dd5 Schach und Rückgewinn der Figur der erste Bauer eingeheimst. Das musste doch reichen?

 

Auch Peter musste sich einem Engländer erwehren. Er entgegnete mit einer Igel-artigen Auffangstellung und da der Gegner es auch ruhig angehen liess war das bei meinem dritten Rundgang nach etwa 15 Zügen auf jeden Fall Ausgleich. Genau so muss es sein!

 

Ingo setzte sich mit einem Pirc ruhig mittels h3, Le3 und Le2 auseinander. Bereits nach wenigen Zügen verblieb wenig Material, die offene d-Linie sowie ein guter gegen einen schlechten Läufer. Genau also das, was man als Gegner von Ingo nicht haben will: eine Knetstellung. Das ganze würde wohl lange gehen, aber es konnte ab hier nur noch zwei Ergebnisse geben.

 

Bei Emery kam der Gegner mit 1.e4 an und es gab leider keine Punkte dafür, zu erraten wie das ganze weitergehen würde. Natürlich würde es ein Franzose werden, alle wichtigen schwarzen Bauern auf Weiss gestellt, Zentrum mit c5 oder f6 oder beidem anhebeln, viele Klötze fallen vom Brett, Emery schafft im 40. Zug ganz knapp noch die Zeitkontrolle und gewinnt danach ein minimal besseres Endspiel. Gähn. Jedoch als ich das nächste Mal ans Brett kam, standen alle Bauern auf….SCHWARZ. Und zwar auf e5, d6, c5, b6 und a5. Zunächst dachte ich daran, dass Emery nur wieder extra im Bericht erwähnt werden will, aber das ganze war wohl doch kein Witz, denn: der Gegner zog im zweiten Zug das nicht zu unterschätzende 2. De2, wonach nach dem oftmals automatisch gespielten 2. … d5 3. exd5 Dxd5 bereits erzwungen ist, denn 3. … exd5 ist jetzt leider bereits illegal. Das heisst aber, man landet quasi in einem schlechten Skandinavier. Ha! (Note to self: beim nächsten Monatsblitz gegen Peter, Emery und die anderen Franzosen mal unauffällig ausprobieren – aber: Pssst!). Würde Emery, der sich ja immer weissfeldrig aufbaut (auch gegen 1. d4) hiermit zurechtkommen? Sah auf jeden Fall erstmal ungewohnt aus. Ausblick: Brrr.

 

An Brett 1 gewann Maxi im ersten Zug. Zwar nicht die Partie, aber sehr wohl den Preis der grössten Überraschung, denn er nahm wie sonst nur ganz ganz selten im ersten Zug den d-Bauern in die Hand. Fehlgriff in Folge Restalkohols? Oder kalkulierte Vorbereitung? Da Maxi ja als Abstinent bei Hochprozentigem bekannt ist, nicht jedoch beim Thema Vorbereitung, lag eine Vermutung zumindest nahe. Der Gegner liess sich jedoch nichts anmerken und es kam ein eher ruhiger Katalane aufs Brett, der Maxi durchaus etwas Raumvorteil versprach. Aber war in einem Stellungstyp, den er im Zweifelsfall nicht so gut kannte wie der Gegner, mehr drin?

 

Das 1-0 erzielte Peter sehenswert nach einem allerdings harten positionellen Bock des Gegners, der ohne Not mittels f3 und e4 die Stellung aufmachte. Nach einmaligem Tausch auf e4 kam Peters Springer via d5 zur Geltung und machte den verdutzten Gegner auf einige Unzulänglichkeiten in der weissen Stellung (u.a. Felderschwäche e3) aufmerksam. Und anstatt das ganze positionell nach Hause zu schieben, entschied sich Peter für einen kurzen Arbeitstag und verwandelte den taktischen Freistoss sauber im Winkel. 1-0 nach nur gut 2h.

 

Die zweite Entscheidung fiel an Brett 5, wo Robert bei der letzten Einblendung ja gerade einen Bauern eingesammelt hatte. Aber anstatt sich etwas Zeit zu nehmen wollte er wohl den Punkt direkt mitnehmen und übersah einen allseits bekannte Bauerntrick: reinhacken mittels Tf8xf2 und Tf1xf2 wird mit DxTa1 beantwortet. Gewann nicht nur den Bauern zurück, sondern legte auch den weissen König ähnlich offen, wie den Schwarzen. Nun ja, im Schwerfigurenendspiel ist das ja immer so ne Sache mit dem Auf-Sieg spielen und während Robert zwar immer noch am Drücker war, war ein finaler Mattangriff nur mit sehr grossem Risiko zu verwirklichen. Den Blick auf die anderen Bretter gerichtet bestand dazu jedoch keinerlei Notwendigkeit und das logische Ergebnis wurde vom Schiri notiert: Remis. 1,5-0,5 gegen 17h.

 

Strapaziert wurden die Nerven an Brett 8. Zwar hatte Martin den Bauern d3 schön blockiert und unter kräftiger Mithilfe des Gegners, der seinen wunderschönen Sf4 via g2 auf das scheussliche Feld e1 beförderte, schliesslich vom Brett befördert. Materiell war wieder alles im Lot, aber Martins Stellung schien kritisch. Kurz vor der Zeitnotphase und in einer hochtaktischen Stellung, die sicherlich nicht einfach zu spielen war, waren beide eher nicht auf Prophylaxe bedacht und die Stellungsbewertung änderte sich quasi mit jedem Zug, wobei Martin am Ende der Glücklichere war. Auch solche Tage braucht man im Schachspielerleben! 2,5-0,5.

 

Frank hatte in der Tat sehr schön alles auf die halb-offene e-Linie gestellt, was da war und der schwarze Angriff nahm Konturen an, während Weiss offenbar keine Lust auf Minoritätsangriff hatte, denn nach satten 17 Zügen stand Bertram, der b-Bauer immer noch auf b2. Jetzt also locker die Stellung weiter verstärken und gelegentlich mal mit den eigenen Bauern am Königsflügel vorrennen? So würde es Frank wahrscheinlich in 90% der Fälle machen. Nicht so heute, und so folgte aus heiterem Himmel ein unklares Springeropfer mittels Se4xf2, was zwar den König freilegte, aber ob es mehr als Kompensation gab, blieb erstmal unklar. Um es kurz zu machen: gab es nicht, und es war Weiss der am Ende mit einem sehenswerten und sehr schwer zu sehendem taktischen Schlag alles klar hätte machen können. So blieb es beim gerechten Remis in höchst unklarer Stellung mit mittlerweile 3 Bauern für die Figur. 3-1.

 

Uwe holte nach der verpassten Chance ausgangs der Eröffnung nicht mehr viel aus der Stellung heraus. Es war klar, dass kurzfristig auf der offenen c-Linie alles runterfliegen würde, was gerade ziehen darf. Der mikroskopisch vorhandene Druck auf die beiden schwarzen Bauern auf a6 und b6  war zwar noch da, aber durch ein geschicktes Opfer eines der beiden Bauern mündete die Partie ins ungleiche Läufer-Endspiel mit Plusbauer, aber zugeschobener Stellung. Ähnlich wie bei Robert bestand kein Grund eine womöglich minimal besserer Stellung überzustrapazieren. Remis und 3,5-1,5.

 

Bei Maxi an Brett 1 fielen nacheinander die Klötze runter und es entstand ein Bauernendspiel. Baut mal auf: Weiss: Kc4, Bb2, b4, f3, g3, h2; Schwarz: Kd6, Ba4, e5, f7, g7, h7. Weiss am Zug gewinnt. Wie? (Note to self: Peter mal fragen, wie man Diagramme in die Artikel machen kann, das würde das ganze ganz schön aufpeppen, denke ich).

 

Damit gingen nach 18h drei Partien in die Verlängerung. Eins aus Drei würde ja schon reichen, und in allen Partien sah es mittlerweile sehr gut aus für uns.

 

Maxi fand das richtige 40. g4, denn Schwarz drohte ja mittels 40. … f5 einen eigenen Freibauern zu machen. Guter Rat ist jetzt bereits teuer für Schwarz, denn es droht stark 41. Kb5, wonach einfach der a4 abgeholt wird und die b-Bauern machen das Rennen. Falls 40. … g6 mit der Idee … f5 kommt natürlich was? Eben, 41. g5 mit kompletter Lahmlegung des Königsflügels und die weissen Bauern machen das Rennen. Also versuchte Schwarz 40. … h5, und jetzt gilt es nochmals richtig fortzusetzen. Wie Maxi bereits nach der Partie zeigte, gewann das einfache 41. gxh5. Der Unterschied ist, das jetzt 41. … f5 nichts bringt, da Weiss einfach den bald entstehenden Freibauern auf e4 abholen wird, danach nach g7 rennt und der Bauer h5 gewinnt die Partie, den der schwarze König muss ja bei den b-Bauern bleiben. Stattdessen zog Maxi das vollkommen natürlich aussehende 41. h3. Nach 41. … hxg4 42. hxg4 f6 stellte er (und alle anderen im Saal fest), dass das Endspiel jetzt leider nur Remis ist. Es folgte: 43. Kb5 g6 44. Ka6 Kc7 45. Ka7 und jetzt macht das erstaunliche 45. … Kc6 Remis, denn niemand rührt sich! 4-2.

 

Emery konnte sich aus der Umklammerung schön befreien und übernahm im Spielverlauf immer mehr die Initiative und hatte an einer Stelle zwei, sagen wir, halbwegs gesunde Mehrbauern. In Zeitnot wäre Figurentausch wohl das Richtige gewesen, aber das war leichter gesagt als getan. Nach der Zeitkontrolle war der erste Bauer Futsch, der gegnerische König aktiv und mit je Turm und Läufer bei wenigen Bauern schüttelte man sich die Remishände. 4,5-2,5.

 

Bei Ingo kam es wie gedacht. Er vergrösserte seinen Vorteil Zug um Zug und es wahr wohl in der Tat schwer für den Gegner Gegenspiel zu finden. Kurz vor der Zeitkontrolle stand ein weisser Hüpfer auf d6 und kurz danach war der erste Bauer weg. Um den wieder zu holen musste Schwarz in ein komplett kaputtes Endspiel mit einem Springerriesen auf f5 gegen schwachen Schwarzfelder abwickeln. Der Rest war Formsache. 5,5-2,5.

 

Damit sind wir in einer zugegebenermassen nominell sehr ausgeglichenen Hessenliga völlig überraschend Herbstmeister und haben von insgesamt 32 Partien bislang nur 2 verloren (und auch diese beiden nur nach jeweils deutlichem Vorteil). Ich nehm jetzt das `U`-Wort mal noch nicht in den Mund, aber der SK 1980 in der 3. Liga – das hört sich doch grundsätzlich nicht schlecht an, oder?

 

Mehr von der Ersten gibt es bereits am 17.01.16, denn dann ist die Zweite Mannschaft aus Giessen zu Gast bei uns in der Riedstrasse. Seid dabei – mental oder physisch!