1. Mannschaft

1. Spieltag: Erste siegt glücklich gegen Gießen

Wer am Sonntag, dem 18.09.16 gegen 16h ins Vereinsheim an der Riedstrasse einbog, dem bot sich selbst beim groben Blick auf die Bretter ein Bild des Grauens: eine komplette Verluststellung sowie mindestens vier Bretter bei denen selbige nur noch eine Frage der Zeit sein konnte. Natürlich ging Gießen als ehemaliger Oberligist und dank grosser Ausgeglichenheit (Brett 1 und Brett 8 wiesen kaum DWZ Unterschied auf) als Favorit ins Rennen, aber etwas Gegenwehr hätte es durchaus sein dürfen. Zumal Gießen ersatzgeschwächt war. Ein Glück nur, daß sich die Anzahl der Schlachtenbummler, die sich am Sonntag, dem 18.09.16 gegen 16h bei uns einfanden, in engen Grenzen hielt. Doch der Reihe nach.

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An Brett 8 stellte sich Uwe genauso an wie am Ende der letzten Saison und also erstmal was ein. Das nachfolgende Diagramm zeigt, dass man sich auch bei natürlichsten Zügen nochmal vergewissern sollte, und wenn es nur eine Minute dauert. A Tempo zog Uwe jedoch 10. 0-0?, was auch logisch erscheint, leider aber verliert. Wie?

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(Schupp – Pribe, 10. … ?)

 

Kaum zu glauben, aber nach 10. … Da2 ist die Partie eigentlich bereits vorbei. 11. Dc2 ist der einzige Zug, der den Turm gedeckt hält und erst nach 11. … Le6 begriff Uwe in welcher Lage er sich bereits befand. Der Punkt ist, dass die weisse Dame sehr bald keine Felder auf der Diagonale b1-h7 haben wird. Das beste wäre jetzt 12. d3 gewesen, um nach 12. … Lb3 13. Ta1 Dxa1 14. Dxb3 die Qualle zu spucken, denn die schwarze Dame steht zunächst Abseits. Uwe strebte aber nach Verwicklungen und versuchte 12. d4?!, was nach 12. … Lb3 13. Dd3 Lc4 14. Dc2 Lxe2 15. d5 Lxf1 aber nach hinten losging, denn das nun geplante 16. Lxf1 nebst Fang der schwarzen Dame mittels 17. Lc4 würde am einfachen 16. … Dxd5 scheitern. Tja. Wie ein Blick in die Datenbank zeigt, hatte Uwe die Stellung nach dem neunten Zug von Schwarz in mindestens einer Langpartie auf dem Brett, und es folgte natürlich 10. d3. Die Ausrede, dass er sich den ganzen Vormittag bereits als Mannschaftsführer und Fahrer für die 8. Mannschaft (1-4 Niederlage in Eppertshausen) aufgerieben hat, lassen wir natürlich nicht gelten. Hehe. Trotzdem hat das die Kollegen eher verunsichert zu diesem frühen Zeitpunkt. 0-1.

Neben Uwes Gegner hatte auch Robert quasi einen freien Nachmittag und bildete vorerst den einzigen Lichtblick aus Gernsheimer Sicht. Vor der im Diagramm zu sehenden Stellung war bereits einiges schief gelaufen aus weißer Sicht, da Weiss den einzigen Plan den Schwarz in diesen Damengambitstrukturen gegen Englisch hat, nämlich b6-b5 durchzudrücken, sogar nach Kräften unterstützte. Dennoch wäre jetzt mit dem Normalzug 23. e4 fast alles im Lot gewesen. Das greift den lästigen Td5 an und versperrt nebenbei die Diagonale h1-a8, auf welcher der weisse Monarch sehr bald sein Leben aushauchen würde. Stattdessen griff Weiss zum anderen Zentralbauern und nach dem furchtbaren 23. d4? beendete Rob die Partie ohne zu Zögern. Wie?

(Klippel – Mazurek; 23. d4 – und nun?)

 

Richtig. Nach 23. … Sf3 ist die Partie sofort zu Ende. 24. gxf3 wird mit 24. … Tg5+ beantwortet und Schwarz holt sich die Figur mit Zinseszins zurück, denn 25. Lg2 wird einfach mit 25. … Lxf3 beantwortet. Der Gegner spielte noch 24. Kh1, liess sich dann aber 24. … Dh2 matt nicht mehr zeigen. 1-1.

In einer Partie auf hohem Niveau hielt Ingo an Drei gegen den mit Abstand besten Gießener (nominell und faktisch) lange mit und dem weissen Druck stand. Erst mit abnehmender Zeit leistete er sich ein, zwei unmerkliche Fehler, die zu einem schlechteren, aber möglicherweise haltbaren Endspiel mit schwachem Läufer führten. In der Diagrammstellung musste Schwarz unter allen Umständen weisses h6 verhindern, denn das hätte den Läufer ein für allemal beerdigt. Dafür stehen alle legalen Züge mit schwarzen Bauern auf dem Königsflügel zur Verfügung. Zwei davon (32. … gxh5 und das gewitzte 32. … h6) waren gut, während Züge mit dem f-Bauern verlieren. Warum ist erstmal nicht so klar, oder?

 

(Sehrt – Peters; 32. … ?)

Es zeigt sich aber, dass die wahren Probleme nach 32. … f6 33. hxg6 (33. h6 wird jetzt clever mit 33 … f5 beantwortet und die Sache ist nicht so klar, da der weisse Springer jetzt seinen Platz verlassen muss; ich nehme an, das war Ingos Idee!) hxg6 34. gxf6 Lxf6 35. Ta1! nicht am Königsflügel, sondern auf der anderen Brettseite lagen, denn der Unglücksrabe auf a7 geht zwingend verloren und der Se4 ist weiterhin der wahre König des Spiels. 1-2 wenig später.

An Brett 6 kam Frank R. zum Einsatz und es ist jetzt mal Zeit für etwas leichtere Ratekost. Nach wechselhaftem Verlauf war in der Diagrammstellung Schwarz am Zug und die Frage ist, ob sich Schwarz mittels 27. … Dxh4 am weissen Bauern laben sollte. Was meint Ihr?

(Rosenberger – Bajrmovic; 27. … ?)

 

Ich konnte leider nicht sehen, ob Schwarz hier an Zeitknappheit litt, aber 27. … Dxh4 scheitert natürlich am elementaren 28. Tg5. Der Sg3 darf leider nicht ziehen, da dies die Komplettöffnung der g-Linie und damit Matt bedeuten würde. Also blieb nur 28. … Dxf4 und die Hoffnung, dass drei verbundene Freibauern am Königsflügel noch etwas gegen die Mehrfigur ausrichten würden können. Konnten sie nicht, da sie noch weit hinten waren. Noch dazu ging sehr bald einer davon zwingend verloren. Schöner Sieg für Frank nach immerhin noch knapp 20 weiteren Zügen. 2-2.

Das erste von in der Tat vielen Gernsheimer Comebacks an diesem Tag zeigte Maxi an Brett 2. Er hatte mit Weiss wenig aus der Eröffnung rausgeholt und in einer zähen Partie war das Zentrum früh zugeschoben. Mit zunehmender Spielzeit war es sogar Schwarz der Vorteil reklamieren konnte und schließlich war Maxis Stellung sogar an einigen Stellen bedenklich, wie dieser hinterher auch unumwunden zugab. Statt sich weiter einschnüren zu lassen, setzte er mit einem netten Bluff in der Diagrammstellung alles auf eine Karte. Habt Ihr zu 35. Sh6 eine Meinung? Da das ganze sehr lehrreich ist, lohnt es sich, das Brett mal aufzubauen. Vor allem möchte ich wissen, was Ihr nach den Zügen 35. … Lxg4 36. Sf7 Df6 37. Sxh8 macht.

 

(Müller – Konrad, 35. ?)

 

In Erwartung eines natürlichen Abtauschs nahm Schwarz nach 35. Sh6 mittels 35. … Lxg4 den besten Verteidiger des Schwächlings f3 vom Brett, wahrscheinlich in der Hoffnung, alsbald nach 36. Sxg4 Th3 eben diesen zu befragen. In der Eile übersah Schwarz jedoch die Gabel 36. Sf7. Es zeigt sich, dass das ganze immer noch nicht klar ist, denn nach dem folgenden 36. … Df6 37. Sxh8 verliert nur das automatische Wiederschlagen auf h8 (egal mit welchem Klotz) die Qualle. Und? Habt ihr das sensationelle 37. … Se5 gefunden? Das rettet Schwarz wohl ins Remis. Zum Beispiel 38. fxg4 Sf3 mit Gegengabel und der Witz ist, dass der Sh8 von der Df6 dominiert wird. Oder aber 38. Df2 Dxh8 39. fxg4 Sxd3 und der schwarze Springer ist ein Riese. Damit haben wir aber immer noch nicht die obige Frage beantwortet. 35. Sh6 ist nämlich in der Tat nur ein Bluff und wie Maxi direkt nach der Partie zeigte, hätte das einfache 35. … Lxc4 36. dxc4 Txh6 Schwarz einen Bauern gewonnen und die Stellung erscheint dank der offenen h-Linie und des bald auf e5 auftauchenden Springers mehr als kritisch für Weiss. So aber: Glück gehabt (nicht zum letzten Mal heute) und 3-2.

Wenn ihr jetzt denkt, dass sich ein Dreizwo bei drei noch laufenden Partien doch ganz vielversprechend anhört, dann habt Ihr sicherlich zu diesem Zeitpunkt nicht bei Emery und Peter aufs Brett geschaut. Beide standen zumindest bei grober Betrachtung, pardon, voll im Hemd und von Emery zumindest weiss ich, dass er bereits ans Aufgeben dachte. Doch dann passierte das hier:

 

(Peterson – Gerber; 61. … ?)

 

Schwarz hat nicht nur zwei Jungs mehr, besitzt den Läufer gegen den kurzschrittigen Springer und ist obendrein am Zug. Am einfachsten gewann jetzt das simple 61. … c3. Zum Beispiel 62. Tc7 Kd8 (mit der Idee 63. … Td3) 63. Tc6 (63. Txc3 Txc3 64. Sxc3 Lc2+ nebst Vorlaufen des b-Bauern) c2 65. Td6+ Ke8 66. Tc6 Tf1 und der c-Bauer verwandelt sich. Aber auch der Partiezug 61. … Lc2+ macht noch nichts kaputt. Nach 62. Kg7 hätte jedoch wiederum c3 folgen sollen mit ähnlicher Variante wie gerade gezeigt. Stattdessen folgte nach einigem Nachdenken 62. … Le4? Natürlich macht es Sinn, den Sd5 aus dem Weg zu räumen, damit der c-Bauer Platz hat. Aber auf das einfache 63. Te7+, was Emery zog ohne eine Miene zu verziehen, nebst Läufergewinn blieb Schwarz nur noch die Aufgabe. Der Vollständigkeit halber muss man dazu sagen, dass Emery die erste Hälfte der Partie besser bis auf Gewinn stand. So ganz unverdient ist der Punkt daher nicht. Und in einem halben Jahr fragt wer nochmal danach, wie der Punkt zustande kam? Eben. 4-2.

 

Ein Mini-Comeback veranstaltete auch Martin an Brett 5. Gegen einen aggressiven weissen Aufbau fand er kein probates Mittel und seine Stellung war ganz zu Anfang mindestens einmal stark kariös. Doch der Gegner fand den Gewinn nicht und so konnte Martin nach und nach ausgleichen. Und mehr? Tja, schaut euch mal das Endspiel an. Mal unter uns: man denkt erstmal, dass Freibauer und Läufer gegen Springer bei Bauern auf beiden Flügeln mindestens den Minusbauern ausgleichen, oder?

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(Sunder – Neumann; 48. … ?)

 

Eine genauere Betrachtung zeigt, dass der Freibauer sicher blockiert ist und auch der schwarze Monarch steht einen Hauch zentraler. Dem geübten Mathematiker fällt darüber hinaus auf, dass Schwarz über einen ganzen Mehrbauern verfügt. Was vielleicht nicht sofort auffällt ist, dass beide Bauern auf der Läuferfarbe blockiert sind. Daher war es jetzt nicht richtig, eine der Schwächen mittels 48. … g5 zu beseitigen (die schwarzen Stellung bleibt besser, aber ob sie noch gewonnen ist, ist die Frage). Besser war das zentralisierende 48. … Ke5. Die Grundidee von Schwarz besteht in der Blockierung des Bb4 durch den König, der Überführung des Springers nach f5, von wo aus er den Bh4 angreift (und daher den weissen König bindet) und seinen eigenen Bg7 deckt. Dann soll Schwarz im günstigen Moment den Sf5 nach d5 überführen und der b4 fällt mit gewonnener Stellung. Jetzt musste Weiss schon auf 49. Ke3 kommen, was den h4 aber verdächtig alleine gelassen hätte. Nach hingegen 49. … Kg3 käme bspw. 49. … Sd4 50. Lf8 Sf5 51. Kh3 Kd5 52. b5 Ke6 53. La3 Kd7 54. Lc5 Kc7 55. Lg1 (der weisse König darf nicht ziehen wie gesagt) Sd6 mit baldiger Abholung des b5. Martin knetete noch, aber die erste Phase der Partie eingerechnet ging das Remis in Ordnung. 4,5-2,5.

Damit war auch schon egal, wie Peter seine Partie an Brett 7 mit Schwarz verlieren würde. Entsprechend verabschiedeten sich die ersten Kameraden, um dann wie erwartet zu Hause zu lesen, dass Peter seine Partie….doch noch gewonnen hatte ?! Häh? Schauen wir es uns an. Oder noch besser: versetzt Euch im Diagramm mal in die Lage des Weissen. Ihr habt minimalen Materialvorteil, aber was das Wert ist, ist unklar. Was zieht Ihr? Ihr habt genug Zeit, denn die Kontrolle war gerade vorüber.

 

(Rudolph – Nies; 44. ?)

 

Richtig. Weiss hatte hier den Vorteil bereits aus der Hand gegeben. Die aktiven schwarzen Figuren kombiniert mit eigener Königsschwäche und dem bedrohlich aussehenden Freibauern auf e4 machen energisches Handeln zur ersten Bürgerpflicht. Abtausch der gefährlichsten Angriffsfigur böte sich an, also 44. Db6. Danach steht Schwarz wohl trotzdem besser, aber klar ist es beileibe nicht. Stattdessen folgte das schwache 44. Tc6 was den Läufer auf ein ohnehin noch besseres Feld zwingt. 44. … Lg3 zwingt den Te1 sich zu erklären. 45. Te2 scheitert an 45. … Td8 mit Fast-Matt und auf 45. Tf1 kann einfach 45. … e3 folgen und der Bauer läuft. Peter fand das ebenso gute 44. … Sg3+ und nach 45. Kg1 Le5 46. Dc4 (wieder wäre der Damentausch mittels 46. Db6 das kleinere Übel gewesen) 46. … Da7+ nebst Dxa2 fiel die weisse Stellung auseinander. 5,5-2,5. Gut gekontert, Peter!

Insgesamt also eher ein niveau-armes Hessenliga-Match, aber wen juckt’s? Wir stehen am Ende des ersten Spieltags da, wo wir die meiste Zeit der letzten Saison auch standen, nämlich ganz oben. Dennoch sind wir natürlich realistisch und können diesen glücklichen Sieg als das einschätzen, was er zunächst ist: ein Sieg gegen den Abstieg in einer wiedermal sehr ausgeglichenen Hessenliga. Weiter geht’s am 09.10.16 im Schlagerspiel gegen Uwes alten Verein und Tabellenzweiten, den SC Bad Nauheim. Seid dabei!

-ewu