1. Mannschaft

Nein – wir habens uns nicht gedrückt…Oder vielleicht ein bißchen… Der Bericht zur 9. Runde der Hessenliga

Erste verpasst den Aufstieg in die Oberliga mit dem knappsten aller Ergebnisse – der verspätete Bericht

 

 

Yo. Da war doch noch was? Doch, der Bericht zur unsäglichen letzten Hessenligarunde unserer Ersten. Ist natürlich schon reichlich spät. Neben den üblichen Ausreden muss diesmal allerdings eine wirklich wichtige gelten: Ich hab erstmal (wie vermutlich der Rest der Ersten auch) so etwa sechs Wochen zum Verarbeiten gebraucht. Passives Verarbeiten, denn ich hab mir keinerlei Partien des Kampfes angeschaut. Langsam gehts wieder, Zeit heilt Wunden und so. Also gehen wir in medias res.

 

Die Kurzfasssung des Kampfes gegen Griesheim, für die es um nichts mehr ging: das war nicht nur nix, sondern es war auch neben eigenem Unvermögen wirklich Pech dabei. Wir waren nach den Spieltagen zwei bis acht ganz vorne. Und sogar in der Endabrechnung hatten wir 2 Brettpunkte mehr als die Sabt. Frankfurt – nur halt einen Mannschaftspunkt zu wenig. Allerdings muss man auch sagen, dass während des letzten Kampfes nie so richtig Aufbruchstimmung aufkam. Zitat Maxi nach 2h: “Stimmt, ein Viereinhalb für uns müsste reichen (Anm. der Red: kurze Zeit später war klar, dass sogar ein Viervier gereicht hätte, weil die Sabt. Frankfurt gegen bereits abgestiegene Gelnhausener nicht über eben dieses Resultat hinauskam) – ich weiss nur net, wer von uns gewinnen sollte.” Doch genug der Vorrede – schauen wir doch mal auf die einzelnen Bretter.

 

Die erste Nichtentscheidung fiel relativ schnell im Duell der FMs an Brett 1. Es war früh zu merken, dass der gegenseitige Respekt sehr gross war. Beide hatten bis dato in der Saison ganz vorne beeindruckende 5,5 bzw, 5 aus 8 geholt. Remis nach elf Zügen in fast symmetrischer Stellung ohne Damen. Hätte, wenn und aber zählt nicht. Mit Schwarz an Brett 1 gegen einen gleichstarken Gegner ging zu dem Zeitpunkt voll ok. 0,5-0,5.

 

Das zweite Remis gab es genau auf der anderen Seite der Tischreihe. Dort hatte es Frank. W. mit einem DWZ-technisch ebenbürtigen Ersatzmann der Griesheimer zu tun. Und obwohl wir ein gutes Gefühl dafür hatten wie Schwarz sich aufbauen würde, spielte Frank nach eigenem Rezept, was sich ja bei ihm oft als richtig herausstellt. Diesmal hatten wir allerdings Glück, wie sich beide Gegner hinterher auch einig waren:

Wenner – Diaz; 3. ?

 

Frank ist keiner der Reti-Spieler, die den frühen Tausch auf c4 (und evtl. folgendes Gambit-Spiel) mögen. Daher zog er im Diagramm das natürlich aussehende 3. b3. Nach 3. … Sf6 4. g3 Lg4 stellte er jedoch fest, dass 5. Lg2 an 5. … dxc4 6. bxc4 Lxf3 7. Lxf3 Dd4 scheitert, was nach 8. Sc3 Dxc4 einen Bauern verliert. (Die ganze Variante gibt es und gilt sogar als gut spielbar für Weiss aufgrund Kompensation mittels Tb1 nebst Sb5, aber das ganze musste ich auch erst nachschauen, und bin nicht sicher, ob Frank das kannte. Und wenn man das nicht kennt, lässt man logischerweise die Finger davon. Als wohl oder übel 5. Lb2 und nach 5. … Lxf3 6. exf3 hatte die weisse Stellung eine ausgeprägte Karies, die der Gegner dankenswerterweise nicht ausnutzte. Meine Datenbank weist einige Partien auf und in beiden, in denen Schwarz mindestens Elo 2300 hat kümmert er sich sofort um den Punkt d4, nämlich mittels c5 bzw. Lc5. Wie auch immer: Frank befreite sich nach und nach und am Ende stand es so, wie im Diagramm zu sehen. Nach dem Schreck der ersten Züge hatte kein Gernsheimer etwas gegen die Annahme des Remis. Später dann die Ernüchterung, denn in der Schlussstellung muss Schwarz bereits beissen.

 

Wenner – Diaz, 18. ?

 

Weiss hat schön d4 durchgedrückt, und der Lg2 ist der wahre König der Stellung. Jetzt noch huschhusch mittels Sa3-c2-e3 und Td1 oder Td3 ein paar Figuren besser stellen und Schwarz muss sich über baldige Stellungsöffnung via d4-d5 Gedanken machen, wonach das Läuferpaar womöglich voll zur Geltung käme. So aber Remis und 1-1.

 

Übrigens: wie man das Loch in der Brettmitte besser ausnutzen kann, zeigte in dieser (zumindest für regelmäßige Englisch-Spieler) berühmten Partie ein Ex-Weltmeister gegen den erst kürzlich verstorbenen GM Browne aus den USA.

 

Karpow – Browne, San Antonio 1972, 4. ?

 

Wenn ihr die Partie mal nachspielt, werdet ihr merken, dass Schwarz nie den Hauch einer Chance hat und nach 4. Lxf6 am Feld d5 zugrunde geht. Was bemerkenswert ist, dass dem Schwarzen kaum Fehler unterlaufen in der weiteren Partie. Dennoch geht die Computerbewertung von Zug zu Zug bergab. Übrigens ist der Zug 4. Lxf6 nicht erste Computerwahl und diese langfristigen positionellen Erwägungen sind der Dose anscheinend trotz Elo-Zahlen von 3100 und mehr noch immer fremd. Immerhin etwas Perspektive für die Menschheit.

 

Wie gings weiter?  Bei Ingo vorne an Zwo. Dieser hatte leider spielstärketechnisch den größten Brocken aus dem Weg zu räumen. War es richtig, die Partie so scharf anzugehen, dass schon vor dem 20. Zug eine Entscheidung fallen musste? Oder zeigt sich gerade in der Taktik dann auch die höhere Elo? Auch hier gibt es glaube ich mehr Meinungen als Leute. Wie auch immer: Es sah früh gut aus und wir blenden uns genau zum richtigen Zeitpunkt am Scheidepunkt der Partie ein, denn den ersten Fehler machte nämlich….genau: der Gegner.

 

 

Peters – Grabarczyk; 13. … ?

 

Ingo hatte forsch mit 13. g4 losgelegt, um mit einem Schutzwall aus Bauern in die gegnerischen Königsschlafgemächer einzudringen.. Schulbuchmäßig hätte Schwarz mit einem Gegenangriff im Zentrum agieren müssen, daher 13. …. d5, was nach 14. e5 Sd7 ungefähr das Gleichgewicht gewahrt hätte. Stattdessen schwächte sich Schwarz dort, wo er ohnehin unterlegen ist mittels 13. … g6. Ich hab keine Ahnung, wie lange Ingo jetzt an 14. g5 nachgedacht hat, aber das ist ja wohl auch sowas von logisch, oder? Nach 14. … Sd7 15. Dg3 Te8 16. Tf3 (Fehler, denn an f5 kommt Weiss nicht vorbei, was automatisch … Se5 nach sich zieht, was den Turm angreift, besser daher 16. Tf2, was nebenbei c2 deckt) Tb8 17. Taf1 b5 18. f5 Se5 19. fxg6 fxg6 20. Tf2 b4 21. Sce2 Db7 22. Dh4 Ld7 und langsam aber sicher gewann Schwarz die Oberhand aufgrund der Schwächen im weissen Lager während ein weisser Angriff nicht zu sehen ist. Doch zurück zum 14. Zug, denn mit 14. f5 hätte Ingo evtl. für die Überraschung des Tages Sorgen können. Was soll Schwarz machen? 14. … e5 wird stark mit 15. Sdb5 beantwortet (der Springer ist wegen der Fesselung in der a-Linie tabu) während 14. … exf5 15. exf5 Tb8 sofort mit 16. g5 nebst Sd5 und f6 beantwortet werden. Das beste ist wohl noch 14. … Ld7 aber nach 15. Td1 nebst Lh6 steht Weiss klar besser. Echt Schade. 1-2.

 

Aber wenn Ihr das für unglücklich haltet, dann setzt Euch jetzt besser. Emerys Partie stand lange Zeit auf hohem Niveau, aber mit abnehmender Zeit schlichen sich die ersten Ungenauigkeiten ein. Genauer gesagt machte der Gegner drei teils sehr Ungenaue hintereinander. Schon nach dem ersten hätte die Partie zu Ende sein müssen und ich wette, dass Emery das in jeder Blitzpartie sehen würde. Aber bei ihm wie bei wie gesagt allen anderen war die Anspannung mit Händen zu greifen. Wie gewinnt Schwarz?

 

(Hahn – Peterson, 2016) – 28. … ?

 

Eben. 28. … Tf1+ 29. Lxf1 Txf1 30. Kh2 Lxd5 und das Matt auf h1 ist nur noch unter grossem Materialverlust zu verhindern. Stattdessen zog Emery 28. … Sf5 29. De4? Dd6 (Dc5 + mit klar besserer Stellung, da die weisse Dame nach Te7 gleich in die unschöne Gegend um das Feld b1 umziehen muss.) 30. g4 Dc5 31. Kh2 Dd6+ 32. Kg1 Db6 33. Kh2 Dd6 34. Kg1 und in deutlich schlechterer Stellung war der Gegner froh, dass Emery aus Versehen zum dritten Mal die Züge wiederholt hatte. Remis und damit 1,5 – 2,5.

 

Jetzt musste langsam mal ein Punkt her, und am ehesten sah es danach an Brett 6 aus. Frank R. stand die ganze Zeit über besser, allerdings wohl stets noch in der Remisbreite bei genauem schwarzen Spiel. Im Franzosen konnte Frank früh den d-Bauern verdoppeln, was dem schwarzen Spiel zwar die Dynamik nahm, aber erheblich zu dessen Stabilität beitrug. Hoffnung keimte nur einmal auf, und zwar hier. Weiß ist dran und ihr habt fünf Sekunden.

 

(Rosenberger – Nothnagel, 43. ?)

 

Und, gesehen? Yo. 43. Lg5 ist witzig und ein schwarzer Bauer geht verloren. Das dumme ist, dass die Stellung immer noch Remis ist, was aufgrund von einem weissen Freibauern und Bauern auf beiden Flügeln bei einem kurzschrittigen schwarzen Springer echt verwundert. Nach 43. … Ke6 44. Lxh6 Sc4 45. Lg5 Kf7 46. Ld8 Sd2+ 47. Kc2 Sc4 48. Lg5  Kg7 49. Lf4 Kh7 50. Kb3 ist nicht zu sehen wie Weiß weiterkommt. Wieder nur Remis und 2-3.

 

Aber da: ein Hoffnungsschimmer an Brett 5, wo Peter in einer sehr wechselhaften Stellung am Ende den vorletzten Fehler machte. Der Gegner hätte mehrfach und teilweise sehr schön gewinnen können. In der Diagrammstellung kippte die Partie denn offensichtlich ist der weisse Lb6 angegriffen und nach irgendeinem beliebigen Läuferzug wie La7 oder Le3 wird die Partie sehr bald remis enden. Doch wie so oft: Weiss stand lange Zeit besser und glaubte wohl auch hier noch mittels 49. Ta6 den Bb5 halten zu können. Und auf einmal kommt eine Figur Peters zur Geltung, die dem Geschehen in den bisherigen immerhin knapp 50 Zügen nur als passiver Zuschauer beiwohnte: der Se8, der mittels 49. … Sf6 nicht nur eine lästige Gabel droht, sondern in wenigen Zügen das Mattnetz klarmachte.

(Spitzl – Nies, 49. ?)

 

Nach 50. Kg2 Sxg4 51. Dc5 Db3 52. Dc7 Tf8 53. Dd7 Dc2+ war die Partie wenig später zu Ende. Sieg für uns und damit 3-3. Ging doch nochmal was?

 

Leider nein, den obwohl zwar so gut wie alle Gernsheimer einen gebrauchten Tag erwischt hatten, gab es doch einen, der das ganze noch getoppt hat. Uwe hatte nach gewohnt solider Eröffnung ausgangs der Eröffung einen Konter übersehen und war in kritischer Stellung gelandet.

 

(Derbotoli – Schupp, 26. ?)

 

Im Diagramm hätte Weiss mit 26. Se4 Springerabtausch nebst Turmschwenk Te3-e4-h4 und Mattangriff erzwingen können, was Schwarz nur schwerlich bedienen kann. Aber auch das in der Partie gespielte 26. Se2 ist trickreich, denn es droht sowohl 27. Sf4 als auch 27. Tc3 nebst Tc6 und die schwarzen Figuren kriegen Knoten in die Beine. 26. … Dg5 bedient beide Drohungen und ist hinreichend gut. Nach 27. Da5 Sg4 28. Dc3 Se5 29. Lc6 wäre alles in Butter gewesen, sofern Uwe das relativ einfache 29. … Df6 gesehen hätte. Jetzt hängt f2 und nach bspw. 30. Lxd7 Dxf2 31. Kh1 Sd5 (den hatte Schwarz in der Vorausberechnung nicht gesehen) muss sich Weiss bereits ernsthaft Sorgen machen. Aber auch das gespielte 29. … Td8, was den Turm aus der Schusslinie nimmt und ihn evtl. auf die h-Linie lässt, war mit viel Wohlwollen noch ok, jedoch komplex. Allerdings musste man auf das folgende 30. f4 die Computervariante 30. … Df6 (ja, wiederum Df6…) 31. fxe5 Df2+ 32. Kh1 b4 33. axb4 (33. Dxb4? Dxe3) 33. … Sb5 was nach 34. Lxb5 den Läufer von der langen Diagonale ablenkt und jetzt ist 34. … Th8+ 35. Th3 Txh3 36. gxh3 Tf3 streng. Stattdessen fiel Uwe nur der zwar zweitbeste, aber doch wesentlich schlechtere Zug 30. … Txf4 ein, was zunächst die Qualle und später dann die Partie und schliesslich den Aufstieg kostete. 3-4.

 

Jetzt lag also alles an Robert, der an Brett 4 alles versuchte, aber bereits früh im Spiel den einfachen Matchball vergab. Auch hier bin ich sicher, dass Robert den folgenden Kniff ohne grosse Anspannung in Sekunden gesehen hätte. Und Ihr? Was spielt Ihr als Weisse am Zug?

 

 

(Mazurek – Hoeck; 42. ?)

 

Schwarz hatte gerade 41. … La5-b6 gespielt, um mal den Tausch eines Turmpaares zu erzwingen, denn 42. cxb6 scheitert natürlich an 42. … Txa3. Beide Spieler übersahen jedoch das recht banale 43. Lb4+ mit Figuren und wohl auch Partiegewinn. So geschah leider 42. Txa7 Lxa7 und nach Verwicklungen konnte Robert am Ende das Remis halten. Damit 3,5 – 4,5 Endstand und Aufstieg und nen halben Brettpunkt verpasst. Alter.

 

Weder auf Uwe, Ingo oder einen der unglücklichen Remisspieler (auf die schon gar nicht!) wurde hinterher eingehackt und – natürlich – gewinnen wir zusammen ebenso wie wir zusammen verlieren. Und zumindest mit dem schwachen Trost als Aufsteiger eine wirklich tolle Saison gespielt zu haben konnten wir erhobenen Hauptes nach Hause fahren. Hat Spass gemacht, oben mit zu spielen – daher versuchen wir es nächstes Jahr natürlich wieder – allerdings erst, nach dem das nötige Polster gegen den Abstieg angesetzt wurde.

 

Was auch unbedingt gesagt werden muss: Hut ab vor den Gelnhausenern und den Griesheimern, denn für beide ging es bereits nur noch um die goldende Ananas. Dennoch gaben beide Teams alles und es kam nie auch nur der Hauch von mangelndem Sportsgeist auf. Gelnhausen fuhr an Brett 1 gar ihr schwerstes Geschütz auf – und das obwohl die Mannschaft bereits abgestiegen war. Das 4-4 gegen Sabt. Frankurt ist aller Ehren wert und weist die Gelnhausener als grosse Sportsleute aus. Steigt baldmöglichst wieder auf!

 

-ewu